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Gemeinsam sind sie unausstehlich!

Ein bisschen hatte ich es ja in meinem letzten Beitrag angekündigt. Die Nachdenkseiten, genauer: Albrecht Müller [http://www.nachdenkseiten.de/?p=10276], inspirierte mich über die Schnittmengen von Neoliberalismus und Faschismus nachzudenken und nach Belegen zu suchen, die seine Behauptung, „Die herrschende Ideologie, der Neoliberalismus, enthält konzeptionell und in seiner Wirkung typisch faschistische Elemente“ untermauern, da auch ich (spontan und ohne in die Tiefe zu gehen) davon überzeugt war, dass es zahlreiche Berührungspunkte gibt. Zunächst dachte ich an eine tabellarische Übersicht, um die Gemeinsamkeiten beider Glaubensrichtungen aufzuzeigen. Dann musste ich feststellen, dass die (weniger die Gemein- mehr die) Gleichheiten sich durchaus in Grenzen halten. Dennoch seien sie erwähnt: 1. das Führerprinzip und die strenge Hierarchie faschistischer Wunschträume vertragen sich durchaus mit dem Absolutheitsanspruch der ,Elite‘ im neoliberalen Sprachgebrauch und rechtfertigen eine Mehrklassengesellschaft mit deutlicher Machtverteilung und antidemokratischer Konsequenz, 2. der (quasi-)religiöse Charakter ist ebenso ein sicheres Kennzeichen beider Ideologien (das impliziert das Spielen mit den Ängsten der Menschen), wie 3. die militant antikommunistische / -marxistische / -sozialistische Haltung. Das klingt zwar relativ eng verbunden, kann es angesichts der Unterschiede zwischen Beiden aber eigentlich nicht sein. Während der Faschismus sich auf die ,mächtigen‘ Wurzeln irgendwelcher mythischen Vergangenheiten beruft, an den Gemeinschaftssinn und an die Emotionalität seiner Anhänger appelliert oder andockt, ist der Neoliberalismus völlig geschichtsfern, individualistisch und spricht die Ratio seiner Gefolgsleute an (-dass Letzteres freilich doch auf emotionaler Ebene passiert, ist eine andere Sache!).

Was bleibt, wenn das Schöne zerstört wird?

Bedeutet das, dass ich mir folglich keine Sorgen machen muss? Dass sich beide Ideologien gegenseitig neutralisieren, dass sie Konkurrenten sind im Kampf um Macht und Vorherrschaft? Ganz und gar nicht! Beide Glaubensrichtungen sind (mit der Unterstützung einschlägiger Medien beispielsweise) in der Lage eine brandgefährliche Symbiose einzugehen. Der Neoliberalismus kann das eklatante wirtschaftstheoretische Defizit des Faschismus ausgleichen, der wiederum die Kälte des scheinbar so rationalen Egoismus durch Zusammengehörigkeitsgefühl, die Wärme zelebrierter Gemeinschaftlichkeit kompensiert und die Sicherheit eines freilich unerbittlichen Polizeiapparats. Pinochet, Tea-Party, Sarrazin, Broder, Sloterdijk sind Beispiele für verschiedene Facetten solcher Synergien. Ungeachtet real existierender Dissonanzen vereinen sie Merkmale dieser, wie jener Anschauung. Die Verachtung des demokratischen Staates, seiner Organe und seiner sozialen Errungenschaften (z.B. Integration) wird mit der Angst vor „andersartigen“ Gruppen verbunden, die Natürlichkeit einer Elitenführerschaft (mit dem ebenso natürlichen Recht auf Privilegien) wird mit der Gottgegebenheit des Wettbewerbs und der Auslese, die durch den Markt oder die Evolution erfolgte begründet. Schonung(1) für die selbsternannten Leistungsträger wird gefordert, Bestrafung für die Verlierer im Kampf um wirtschaftlichen Aufstieg. Pseudowissenschaftliche Argumente werden mittels bereiter Medien unters Volk gestreut, Halbwahrheiten und Volllügen. Angst wird geschürt: „Oh Herr, lass mich nicht werden, wie diese armen Schlucker dort und nicht wie die Kopftuchfrauen …“.  Der Unterschied zwischen subtiler Indoktrination auf der einen und lauthalsstarrigem Gegröle auf der anderen Seite mag sie scheinbar unterscheidbar machen, die Radikalität in der Verfolgung ihrer Ziele (Alternativlosigkeit!) eint sie.

Das ist die Gefahr. Und ähnlich, wie die Industriellen und Adligen zu Zeiten des Niedergangs der Weimarer Republik, glauben einige Neoliberale, sie könnten sich aus dem faschistischen Werkzeugkasten bedienen, ohne dafür zahlen zu müssen. Wer aber die Demokratie diskreditiert, wer soziale Ungerechtigkeit und Ressentiments sät, wird Wut, Empörung und Aufstand ernten. Im besten aller vorstellbaren Fälle!

(1) Dagegen Rilke: Es wäre schlecht um das Große bestellt, wenn es irgend der Schonung bedürfte.

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