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Alternativlos, diesmal gönnerhaft

Heute Morgen stieß ich bei meiner (fast täglichen) online-Zeitungslektüre/-recherche auf einen Zeit.de-Artikel zur Diskussion über die Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken [http://www.zeit.de/wirtschaft/2010-07/laufzeiten]. Wie ich über diese Laufzeitverlängerung denke, kann sich wahrscheinlich jeder vorstellen. Mir ist die Falschheit, mit der diese Attacke der Energiewirtschaft geführt wird, ein Greuel. Verlogen bis dorthinaus. Das Thema ließe sich ganz einfach erledigen. Wenn die Betreiber der Atomkraftwerke e.on, Vattenfall, RWE und EnBW für die Kosten einer über mehrere hundert Jahre sicheren Entsorgung des Mülls selbst aufkommen müssten, dann wären die Dinger morgen schon abgestellt. Aber für dieses Problem gibt es ja Steuerzahler. Das soll nicht mein Thema sein in diesem Beitrag. Vielmehr möchte ich zwei Aussagen der baden-württembergischen Umweltministerin Frau Gönner (mein Gott, was für ein Name, in was für einem Amt?!) genauer betrachten. Sie sagt (nochmal: sie ist Umwelt- und nicht Energieministerin!):

  1. Die Landesregierung in Stuttgart will trotzdem an ihrem Kurs (der Laufzeitverlängerung für AKW‘s, Anmerkung des Autors) festhalten: „Ich sehe dazu keine Alternative“, sagt Gönner. Und:
  2. „Wir sind uns bewusst, dass die Kernenergie in Teilen der Bevölkerung umstritten ist“, sagte die Ministerin weiter. Sie will die Umfrage zum Anlass nehmen, „unseren Ansatz in Energiefragen noch mehr zu erklären“.

Also zu 1.: Die Alternativlosigkeit einer Maßnahme wird postuliert, wenn die Person, die diese Aussage trifft völlig fantasielos ist, massivste Wahrnehmungsstörungen hat oder, wenn Hirnwäsche bevorsteht oder, am allerschlimmsten: wenn dies alles gleichzeitig zutrifft (auch nicht auszuschließen). Zu den Fakten: Zu jeder Handlung, jeder Entscheidung, die bewusst getroffen wird, gibt es zumindest eine, in den allermeisten Fällen eine Vielzahl von Alternativen! (Auch zu Frau Gönner als Ministerin gibt es Alternativen). Für die Laufzeitverlängerung von Kernkraftwerken gibt es sie zahlreich:

  • Deutschland produziert erheblich mehr Strom, als es verbraucht. Ein Abschalten der AKW‘s bliebe im Hinblick auf die Versorgungssituation völlig ohne Folgen.
  • Der Ausbau von alternativen Energien ist noch immer nicht gewollt (die vier Energieriesen sind noch nicht marktgerecht „aufgestellt“ – da ist sogar BP weiter!), weil sie dezentral funktionieren kann, und weil die Profite geringer sind. Alternative Energien bergen ein ganzes Paket von Alternativen (sagt ja schon der Name!).
  • Konzepte zur Nutzung von Energiesparpotenzialen existieren immer noch vor allem in den Schubläden irgendwelcher Spinner und werden kaum noch wahrgenommen. Zugegebenermaßen verbergen sich dahinter gar keine Profitmöglichkeiten für die Energieriesen.
  • Der Ausbau von Kraftwerken auf Basis fossiler Energieträger, auch wenn das kaum einer will, ist eine Alternative.

Ist Frau Gönner, die sich mit dieser Redewendung aktuell in guter Gesellschaft befindet – schließlich sprach auch die Kanzlerin zuletzt häufiger von Alternativlosigkeit – fantasielos, wahrnehmungsgestört oder will sie uns belügen? Ich überlasse dem geneigten Leser das Urteil.

Zu 2.: Trifft eine Maßnahme oder eine Entscheidung der Politiker nicht auf positive Resonanz bei den Bürgern oder den Medien, dann hat das nichts mit dem Inhalt dieser Maßnahme zu tun, dann wird kurzerhand behauptet, sie sei nicht richtig oder nicht gut kommuniziert worden. Das haben Gerhard Schröder und Hans Eichel nicht anders gemacht, als sie sich genötigt sahen die Hartz4-Gesetze zu verkünden. Das war Münteferings Strategie, als er die Rente mit 67 propagierte. Das erspart den Entscheidungsträgern die Konfrontation und die Diskussion mit dem Pöbel. Und es stimmt ja sogar zu einem guten Teil: Ein vernünftiger Diskurs, eine handfeste Debatte mit den Betroffenen hätte einen Hauch von Demokratie. Vielleicht entstünden alternative Wege, vielleicht ließen sich die Entscheidungsträger von ihrem Vorhaben abbringen, möglicherweise die Betroffenen überzeugen, wer weiß. Da das nicht geschieht und aus Sicht der Politiker auch nicht geschehen soll, ist die Aussage, dass eine Sache noch nicht genug erklärt wurde, ein Schuldeingeständnis. Ja, woran liegts denn, dass wir auf ihre Erklärungen, auf die Debatte, die Diskussion, die Auseinandersetzung so lange warten oder gar ganz verzichten müssen? Ich sehe nur einen Grund: Die demokratische Konfrontation ist nicht gewünscht.

Wir bekommen eine Entscheidung vor den Latz geknallt und die einzigen Äusserungen, die wir zu hören bekommen ist, dass sie alternativlos und schlecht erklärt ist. Mir reicht das nicht, auch wenn es gönnerhaft daher kommt. Es ist einfach nur unverschämt und ein Schlag ins Gesicht denkender Wähler.

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